Fischer, Hans-Karl

Der Friedhof von Gstöding
44 Seiten, Broschur
€ 5  SFr 9,90,  *Ö-€ 5,20
(ISBN) 3-87410-021-9

Paul Wühr: "Ich liebe diese Erzählung."

Der Wissenschaft überdrüssig kehrt der Philosophiestudent Paul Henning in seinen Heimatort Gstöding zurück. Um Geld zu verdienen, wird er Totengräber.

Gstöding ist der Ein-Ort, das Beklemmende und Ungeheure, wo die Sonne nur selten durch das beständige Nieselwetter hindurchkommt, das wahnwitzig Über-Abgelebte, wie es im Zeitalter des Tourismus einzig die Fiktion zeigen kann. Dort setzt sich der Friedhofsverwalter für die Erweiterung des Gstödinger Gottesacker ein, wogegen die Totengräber, die ihre Goldzähne den Leichen verdanken, dieses Vorhaben zu verhindern suchen.

Paul Henning ist dabei und doch nicht – denn alles Konkrete sieht er nach wie vor unter dem Aspekt der Theorie, insbesondere unter dem seiner eigenen Fragmente über Kynismus und Zynismus, die er auch als Totengräber nicht aus dem Blick verliert.

Der Autor bezeichnet seine Art zu schreiben als symbolischen Realismus. Erst der vollkommene Abstand vom viel zu Vielen läßt ihn das finden, was es gar nicht gibt: die Realität. Sie entpuppt sich als Traumwelt…

Biographie:

Hans-Karl Fischer
1957 in Passau geboren, 
studierte 1977-79 in München Germanistik und Philosophie.  
1981 gab er die Passauer Anthologie Handzeichen heraus.
1983 veröffentlichte er die Erzählung Der Friedhof von Gstöding.

Leseprobe:

„Bei sehr leichtem Regen war der Herr Studiosus, der ich bis vor kurzem gewesen war, mit einem Kleider- in der linken und einem Bücherkoffer in der rechten Hand am späten Nachmittag in Gstöding eingetroffen; die Glocken läuteten. Als ich, während es bereits zu dämmern begann, durch die schmale Friedhofsgasse hindurchmarschierte, spürte ich ein Kribbeln auf meiner Haut, das mir, bevor ich mich des unaufhörlichen Nieselns in Gstöding erinnerte, zunächst als eine Form von studienbedingter Schwäche des Kreislaufs erschienen war. Ich ging durch die links und rechts von verblichenen, grauen Häusern flankierte Gasse hindurch, bis ich endlich auf dem Friedhofsplatz ankam. Links über den hohen Mauern des Friedhofs bemerkte ich die gelb erleuchteten Fenster des Säuglingsheimes, rechts auf der anderen Seite das Leichenhaus, nebenan das Treibhaus der Friedhofsgärtnerei, und ein Haus weiter, unter der wuchtigen unteren Friedhofsmauer, das hochgiebelige, schmale Haus Tante Alwines, der ich nun offenbaren sollte, daß ich vom Studium der Philsophie sowohl, als auch vom Studium im Allgemeinen fürs erste genug hatte und aus der Landeshauptstadt geflohen war."

„Mit Tante Alwine ging es, während ich als Totengräber in Gstöding zu Ansehen gekommen war, langsam bergab. Sie vermochte die Muskeln ihrer herabhängenden Mundwinkel auf einmal nicht mehr so würdig zu straffen, sondern ließ sie rechts und links nach unten hängen. Jedoch, während sie zur Zeit meiner Ankunft noch rührend gelächelt hatte, brach sie nun nach längerer, offenkundiger Geistesabwesenheit in ein schrilles, zuckendes Gelächter aus. Sie sank jedoch gleich darauf wieder in sich zurück, und ließ sich gehen. Sie scheint ohnedies ihr Dasein im Zustand unausgesetzter Angst verbracht zu haben; doch kurz vor ihrem Tod hatte sie offenbar das Mittel gefunden, dagegen anzugehen: das Lachen." 

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