Waco, Laura

Good Girl

188 Seiten, Geb.
€ 17,90  SFr 31,90  *Ö-€ 18,40
(ISBN) 3-87410-086-3

Miriam ist 18 und auf Wunsch der Eltern aus Deutschland ausgewandert, um in Amerika einen jüdischen Ehemann zu finden. Mit ihren deutschen Zeugnissen bekommt sie schnell Arbeit in einer Versicherung in Montreal, und die kanadische Tante hat ihr schon ein Zimmer besorgt.

Miriam ist gespalten zwischen folgsamer Tochter und junger Frau, die gegen die gesellschaftlichen Grenzen aufbegehrt, die nichts als das Leben erfahren will, einen Mann will, egal ob weiß oder schwarz, ob reich, arm, Christ oder Jude. Sie will nur Liebe, Geselligkeit und ein unbeschwertes Leben, nicht nur einfach mit einem der mehr oder weniger braven Söhne aus den jüdischen Kreisen verheiratet werden. Die stehen ebenso wie sie selbst unter dem Eindruck der Vergangenheit ihrer Eltern. Die große Verheißung ist der Onkel in Kalifornien, wo die attraktiven jüdischen jungen Männer sind, wo das Leben leichter ist und ein Alternative zum geliebten Bayern möglich zu sein scheint.

Ein Buch über die Unentrinnbarkeit des jüdischen Schicksals nach dem Holocaust, die Zerstörungen, die weiterwirken, die Energien, die er freigesetzt hat, das Bemühen, nur ein normales menschliches Leben zu leben. Ein Buch über das Beschweigen der Vergangenheit durch die Betroffenen selbst, ebenso wie über das Erinnern, das sich selbst nicht schont. 

Pressestimmen:

"Beeindruckend direkt und pointiert verfaßt."
Hörzu

"»Good Girl« ist ein furchtbares und sorgfältiges, ein brutales und munteres, oft pointiertes, mit sehr viel Haltung und Lebensliebe geschriebenes Buch.…Die Aufmerksamkeit ist schamlos genau, der Ton lakonisch, die Stimme jung."
Neue Zürcher Zeitung

"Laura Waco ist eine deutsche Autorin mit einem äußerst seltenen Talent: Sie kann einfach, geradlinig, humorvoll und satirisch erzählen, und bei all dem weder die leisen Zwischentöne noch den ernsten Hintergrund vergessen."
Jüdische Allgemeine

"Beim Lesen bekommt man bisweilen fast Atemnot, wenn Laura Waco – in einer ganz nüchternen Sprache, quasi ohne Gefühlsregungen – von den Sehnsüchten eines jungen Mädchens berichtet, vom warmen, aber einschränkenden Nest einer jüdischen Familie, von den Schatten der Vergangenheit."
Augsburger Allgemeine

Biographie:

Laura Waco wurde 1947 als Tochter Überlebender von Dachau und Bergen-Belsen in Freising bei München geboren, ging erst dort und später in München zur Schule. Als 18-jährige wanderte sie 1965 nach Kanada aus. Ein Jahr darauf lernte sie in Los Angeles ihren späteren Mann kennen, den sie 1968 heiratete. 1970 und 1973 wurden ihre beiden Töchter geboren. 1980 besuchte sie Deutschland zum ersten Mal nach ihrer Auswanderung. Ihre ersten beiden Bücher hat sie auf deutsch verfaßt.

Laura Waco

Über sich selbst sagt sie:

Ich war ein deutscher Import in Amerika. Man nannte mich "the Continental". Fremd war ich in der neuen amerikanischen Familie meines Mannes. 1971 schwor ich Treue zu Amerika und wurde ein (deutscher) U.S. Bürger, immer deutsch. Mit Coupons und Kreditkarten war ich eine gehorsame amerikanische Ehefrau. Stets zog ich Vergleiche zwischen Amerika und Deutschland. Immer war ich unglücklich als Deutsche in Amerika. Zusammen mit meinen Kindern wurde ich erwachsen und konnte die Erinnerung an meine eigene Kindheit nicht mehr verdrängen.

Leseprobe:

Freitags um die Mittagszeit fiel die Tante immer in Ohnmacht. Der böse Blick der Mitmenschen verfolgte sie. Niemand gönnte ihr den Ehemann, die zwei Töchter und ihren Laden. Keiner gönnte ihr das, was sie sich erkämpft hatte, und so wurde sie jeden Freitag bewusstlos, um den bösen Blick abzuwenden.
Tui, tui, tui, Zunge an der Oberlippe, machte ihr Mann, Dudu, das gute Herz, Spuckespritzer ins Leere über ihre rechte Schulter. Prompt gähnte die Tante dreimal, wobei sie den Mund soweit aufriss, das nur noch zwei Augenschlitze und ein Loch voller Plomben zu sehen waren. Und sackte zusammen. Der Onkel fing sie auf und zog sie auf die hellbraune Couch an der Wand gegenüber dem Fernsehgerät, das in einer Ecke neben dem Fenster zur Bloomfield Street hinaus stand. Wenn er draußen keinen Kunden vor der Ladentüre sah, lag sie manches Mal eine Ewigkeit da wie eine Tote, und der Onkel hockte neben ihr und blickte gedankenvoll oder auch gedankenlos zum Fenster. Sah er einen Menschen auf die Treppe, die zur Ladentüre hinauf führte, zugehen, wedelte er geschwind mit seinem zerknitterten Taschentuch vor ihrem Gesicht, die Tante sprang auf und eilte die Stufen hinunter, unter den Bürgersteig, wo das Geschäft war.

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