Baader, Angelika

Unschuld und Gedächtnis
Zu Ungarettis Poetik

336 Seiten,  Ln., 
mit einer ausführlichen Bibliographie 
und Gedichten des Autors im Anhang.
€ 49,90 [D] € 51,30 [A] SFr 85,90
(ISBN) 3-87410-076-6

Trotz der überragenden Bedeutung des italienischen Lyrikers und der zunehmenden Zahl von Dissertationen zu Einzelaspekten, Aufsätzen und vergleichenden Studien ist dies die erste deutsche Monographie, die sich umfassend mit der Poetik Ungarettis und seinen philosophischen Grundlagen befaßt.

Die Autorin verfolgt die Entwicklung von Ungarettis Zeitbegriff von den frühen Prosaschriften bis zu den Innozenza e memoria genannten Aufsätzen 1926, mit denen die Dialektik von `Unschuld´ und `Gedächtnis´ ins Zentrum von Ungarettis Schaffen rückt. Im Vergleich mit Leopardis `durata´ und Bergsons `durée pure´ entwickelt sie im ersten Kapitel die Vorstellung vom Dichtungsakt als zeitübergreifendem, lebendigem Augenblick und konkretisiert sie am Beispiel des Lesens und des Hörens von Musik.

Für Ungaretti ist das Gedicht Ort und Mo(nu)ment des dynamischen Ineinanderwirkens von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dieses Erleben scheint ihm – im Gegensatz zu Dadaisten und Surrealisten – nicht in einer Verleugnung, sondern nur im Durchgang durch ein gesteigertes, luzides Bewußtsein möglich zu sein. Durch die Anlage vielfältiger Deutungsmöglichkeiten soll der verwirrte Leser in eine Art geistiger Umnachtung geführt werden, aus deren Dunkel die Erfahrung einer traumhaften Wirklichkeit aufsteigt.

In ihren akribischen Interpretationen von Gedichten der Allegria, des Sentimento del Tempo und der Terra Promessa sowie der Selbstkommentierungen Ungarettis macht Angelika Baader die darin enthaltenen Metaphern, Bilder und Symbole deutlich, die den Vorgang des dialektischen Umschlagens von `Gedächtnis´ und `Unschuld´ und das Heraufziehen einer `lyrischen Morgenröte´ repräsentieren.

Angelika Baader lehrt an der Universität Heidelberg Übersetzung literarischer Texte aus dem Italienischen und hält Seminare zu Methoden und Praxis der Literaturwissenschaft, zu Foscolo und zu Ungaretti. Sie ist Mitherausgeberin und Übersetzerin der Ungaretti-Gesamtausgabe (bis jetzt erschienen Band 1-4).

Aus der Einleitung:

Giuseppe Ungaretti (1888-1970) gilt als einer der bedeutendsten modernen italienischen Lyriker. Sein erster Gedichtband, Il Porto Sepolto, dessen Erscheinen während des Ersten Weltkriegs (1916) nicht nur in Italien Aufsehen erregte, hat wesentlich zur Erneuerung der italienischen Lyrik beigetragen. Zahlreiche Übersetzungen von Ungarettis Gedichten dehnten seinen Einfluß über den italienischen Sprachraum hinaus aus; daß zu seinen Übersetzern auch Ingeborg Bachmann und Paul Celan gehörten, läßt die Bedeutung Ungarettis für die Dichtung der Moderne erahnen.

Inhaltsverzeichnis:

Zeit und Gedächtnis in den Texten vor 1927

Zeit- und Gedächtniskonzeption bei Petrarca und Leopardi

Bergsons »durée pure«

Musikalische Interferenzen poetischer Sprache

Interferenzen der Sprachbewegung

›Innere‹ und ›äußere‹ Antithese des Gedächtnisses

Grundelemente der Dichtung

Zur Beschreibung der poetischen »miraggio«

Das Meer als Gegenbild der Wüste

Die ›Sprachlandschaft‹ der Allegria

Die ›Sprachlandschaft‹ im Wechsel der ›lyrischen Jahreszeiten‹

Die Anthropomorphisierung der Poesie: das Gedicht als sich selbst generierender Körper

»La realtà dei sensi«. Die Vermischung von physischer und intelligibler Wirklichkeit im »senso semplice« der Canzone

Variazioni su nulla: Das Gedicht als »Stundenglas«

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